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Wie sieht die Sprachlandschaft der (deutschen) Schweiz heute aus? Dialektale Muster sind auf allen sprachlichen Ebenen geographisch verteilt. Vergleicht man etwa die Verteilung dialektaler Formen aus neu erhobenen Daten mit solchen aus älteren Erhebungen, zeigt sich in fast allen Fällen, dass sich solche sprachgeographischen Muster innerhalb kurzer und kürzester Zeit ändern. Die Ausstellung „Sapperlot!", welche die Schweizerische Nationalbibliothek im Jahre 2012 zusammen mit dem Phonogrammarchiv Zürich organisierte, thematisierte die Sprachen- und Dialektvielfalt der Schweiz. Neben historischen Tonaufnahmen aus allen vier Landesteilen und den vier nationalen Dialektwörterbüchern wurde den Besucherinnen und Besuchern dort auch die Internet-Applikation „Stimmen der Schweiz 2012" vorgestellt. Diese und die Nachfolgeversion „Stimmen der Schweiz 2013" machten es möglich, dass sowohl Besucherinnen und Besucher der Ausstellung als auch jeder und jede von zu Hause aus übers Internet seine eigene Stimme aufzeichnen und die Stimmen anderer anhören konnte. Die Internet-Applikation kann in allen vier Landessprachen der Schweiz aufgerufen werden und enthält für die jeweilige Sprache spezifische Fragestellungen, welche verschiedene linguistische Ebenen tangiert (insb. Phonetik, Phonologie, Morphologie und Syntax). Je Sprachmodul umfasste die Befragung etwa 20 kurze Aufnahmen (einzelne Wörter oder Sätze). Für das deutschsprachige Modul werden die Sprecherinnen und Sprecher dazu aufgefordert, Gegenstände zu benennen, die ihnen auf einem Bild gezeigt werden. Falls die Sprecherinnen und Sprecher ihr Einverständnis zur Freischaltung der kurzen Audio-Aufnahmen geben, werden diese geprüft und mithilfe von Google Maps auf einer Karte eingetragen. Alle auf dieser Karte verzeichneten Orte können angeklickt werden, woraufhin alle für den Ort erfassten Aufnahmen angezeigt und angehört werden können. Aus dem deutschsprachigen Teil des Audio-Korpus gingen bislang zwei Masterarbeiten hervor, welche sich mit Suprasegmentalia (Stadler 2015) und Flexionsmorphologie (Widmer i.Vb.) beschäftigen. So konnte Stadler (2015) empirisch nachweisen, dass die Betonung von romanischen Fremdwörtern im Schweizerdeutschen je nach Sprecherin oder Sprecher auf die erste oder die zweite Silbe fällt und Präferenzen zur Erst- oder Zweitsilbenbetonung geographisch verteilt sind. So ergibt sich etwa für das Wort schwdt. Kabine ein Bild, dass die allgemeinen Tendenzen gut widerspiegelt: Im Mittelland und in der Innerschweiz wird Kabine auf die erste Silbe betont, während im Wallis Zweitsilbenbetonung vorliegt. In den östlichsten Kantonen ist die Tendenz nicht eindeutig. Ein Vergleich mit anderen gleichartigen Wörtern zeigt, dass die untersuchten Wörter im Westen fast ausschließlich Erstsilbenbetonung tragen, im Osten meistens Zweitsilbenbetonung, wobei das Übergangsgebiet relativ groß ist; das Wallis schließt sich dem Osten an. Das Projekt „Stimmen der Schweiz" macht es möglich, die Bevölkerung noch mehr in die Erhebung sprachlicher Daten einzubinden, als es die klassische dialektologische Forschung ohnehin schon tut. Die Aufnahme von Primärdaten über das Internet mithilfe des Computers und des Smartphones erlaubt es den Sprecherinnen und Sprechern, wann und wo sie wollen, ihre Daten aufzunehmen und Aufnahmen anderer Sprecherinnen und Sprecher anzuhören. In einem neuen Projekt sollen via Smartphone diese (und weitere) Fragen noch einmal gestellt werden. Neben einer Ergänzung des ersten Korpus mit neuem Material, ermöglicht dies insbesondere den Vergleich der beiden Datensätze und kann Klarheit darüber schaffen, ob und inwiefern sich die Sprachlandschaft über einen kleinen Zeitraum hinweg ändert. (www.stimmen.uzh.ch, www.voix.uzh.ch, www.voci.uzh.ch, www.vuschs.uzh.ch)
Projektbeteiligte:
Stimmen der Schweiz 2012 / 2013:
Stimmen der Schweiz 2018:
Graphiker: Lisa Senn und Michael Koller |